Ärzteeinsatz im Mua Mission Hospital

Bericht der plastischen Chirurgin, Dr. Gie Vandehult zum Ärzteeinsatz im Mua Mission Hospital vom 5. bis 10. Juli 2023 im Mua Mission Hospital

Alle fünf Minuten klingelt der Wecker. Die kleine Esina schläft tief und fest. Damit es so bleibt, muss sie alle fünf Minuten 1 ml Propofol in ihre Vene gespritzt bekommen. Wenn sie nicht schläft, können wir unmöglich die vergammelte Brandwunde an ihrem rechten Oberarm chirurgisch versorgen.

Wir sind in Mua, einer kleinen Stadt, etwa zwei Autostunden östlich von der malawischen Hauptstadt Lilongwe. Malawi ist ein ostafrikanisches Land ohne Meereszugang, aber dafür mit den wunderschönen Malawisee gesegnet. Der See ist 55 mal größer als der Bodensee und der fischartenreichste See der Welt. In Malawi leben knapp 21 Millionen Menschen auf einer Fläche, etwa ein Drittel so groß wie Deutschland. Das ostafrikanische Land gehört zu den ärmsten Ländern der Welt, wo 70% der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze lebt.

„Wir“ sind ein schwedisch-deutsches Team aus Südschweden und Norddeutschland, bestehend aus einer Kinderanästhesistin, einer Anästhesieschwester, einer Op-Schwester und einer Chirurgin. Wir sind alle schon mehrfach in Afrika unterwegs gewesen, aber es ist das erste Mal, dass wir in Malawi tätig sind.
Das Krankenhaus, in dem wir arbeiten dürfen, hat den klingenden Namen Mua Mission Hospital und liegt malerisch in den Bergen zwischen Lilongwe und dem Malawi-See. Hier führt Father Isaac mit viel Organisationstalent und Hingabe Regie, was nicht ganz einfach ist, da das Krankenhaus mit über 100 Betten momentan ohne Chirurg auskommen muss. Die Kaiserschnitte werden vom Nursing-Officer durchgeführt. Das sind Krankenschwestern oder Pfleger, die eine Sonderausbildung bekommen haben und sowohl Narkosen, als auch chirurgische Eingriffe durchführen. Er weiss, was er tut, und das muss er auch, bei etwa 200-250 Sectios im Jahr.

Die Homepage des Krankenhauses stellt eine Vision dar, die es erst noch zu erreichen gilt. Immerhin sind die ersten richtigen Schritte getan. Den Kontakt zu der Einrichtung stellte Frau Enke Cäcilie Johansson her, die in Sachen Schulbau in Mua bereits schon vor Ort gewesen war und uns dieses Mal auch begleitet hat.

Father Isaac hatte in den umliegenden Kirchen mitteilen lassen, dass wir kommen, und hatte außerdem ein paar Flyer mit Vorher-Nachher-Bildern von Lippenspalten, Narben nach Verbrennungen und Haut-Weichteiltumoren drucken lassen.  

Am ersten Tag haben wir über 50 Patienten gesichtet und 35 Patientinnen und Patienten auf den Op-Plan geschrieben. Leider konnten wir nicht allen gerecht werden und mussten viele auf eine Warteliste setzen. Jeden Einzelnen, den wir nicht berücksichtigen konnten, wegen Zeitmangels oder weil wir nicht die richtigen Kenntnisse mitgebracht hatten, hinterlässt eine Wunde im Herzen. Wir machten uns zügig an die Arbeit. Dadurch, dass das Krankenhaus über zwei Op-Säle verfügt, konnten wir einen der beiden Räume in Beschlag nehmen.

Sämtliches Material, das wir zum Betäuben und zum Operieren brauchten, hatten wir aus Schweden und Deutschland mitgebracht. Das Einzige was wir vom Haus brauchten, waren Strom und Sauerstoff.
Da dieser Einsatz „nur“ ein „Testballon“ gewesen war, um herauszufinden, ob sich der Standort für weitere Einsätze eignet, hatten wir vor der Abreise mit etwa 25 Operationen gerechnet. Wir mussten in Anbetracht der vielen Eingriffe sparsam mit unserem Material umgehen und gleichzeitig eine ordentliche Hygiene einhalten. Es ist ja nicht so, dass, nur weil ein Kollege sterile Handschuh anzieht, alles um ihm herum plötzlich steril wird.
Unsere Instrumente wurden zwischen-sterilisiert und es gab immerhin die Hoffnung, dass die Tiefkühlpizza aus dem Backofen nicht steriler erscheint, als die Instrumente aus dem Autoclaven.

In den intensiven Operationstagen konnten wir mit Hilfe unserer interessierten, ambitionierten und sehr tüchtigen malawischen Mitarbeiter insgesamt 37 Patienten operieren. Es wurden 19 Eingriffe in Vollnarkose und 18 Eingriffe in Lokalanästhesie durchgeführt. Unter ihnen waren 5 Kinder unter 10 Jahren mit Narben nach Verbrennungen, Gaumenspalten und Hexadactylien. Die Erwachsenen brauchten unsere Hilfe hauptsächlich wegen handchirurgischer Probleme und wegen Weichteiltumoren, vor allem am Kopf. Von Speicheldrüsentumoren, über grotesk große Atherome und Lipome, war alles dabei.

Es bleiben immer ein paar Patienten besonders im Gedächtnis. Die Brandverletzung und die Kontrakturen am Ellbogen der 5-jährigen Esina konnten erfolgreich behandelt werden. Der Arm wurde mit einer umfunktionierten, gespalteten 0,5 l Wasserflasche geschient und sieht heute, zwei Wochen nach dem Einsatz sehr gut aus. Das Transplantat ist angegangen und sie kann den Arm wieder komplett bewegen.

Die Nachsorge in Mua klappt hervorragend. Wir bekommen regelmäßig Fotos und Verlaufsberichte über WhatsApp. Der 50-jährige Mann mit einem seit 14 Jahren langsam wachsenden, mittlerweile tennisballgroßen Tumor am re Unterkiefer (am ehesten ein pleomorphes Adenom) hatte Tränen in den Augen als er sein Gesicht auf dem Handyfoto sah. Er fragte, ob wir ein Geschenk Gottes seien. Das können wir nicht beurteilen, aber sicher ist, dass wir ein Interplast-Team sind, die das Arbeiten in diesem Krankenhaus mit seinen wunderbaren Menschen von Herzen genossen haben und sicher fortsetzen wollen.

Das Team
Dr. Monica Zimmert, Anästhesistin, Dr. Gie Vandehult, Chirurgin, Christiane Mallee, Narkoseschwester, Jane Lienau, OP-Schwester

Unser Dank gilt vor allem Interplast-Germany, die diesen Einsatz finanziert hat sowie der Ostsee-Praxis, Bad Schwartau und der Art Clinic, Göteborg, die uns mit Material unterstützt haben. Ein ganz besonderer Dank an unsere Familien, die unsere Einsätze unterstützen und an unsere Patientinnen und Patienten die mit ihren Spenden unsere Arbeit möglich machen.
 
Dr. Gie Vandehult

Das Team wird im April wieder für zwei Wochen im Mua Mission Hospital  und am Matiya Health Centre/Pirimiti Hospital in Zomba Operationen durchführen.